Restauration der Orgel in Altheim Weigle 1856Disposition 1856

I. Manual C - f'''
1. Principal 8'   C - E Holz, F - d#' im Prospekt
2. Octav 4'   C - A im Prospekt,
3. Viola di Gamba 8'   Zinn
4. Gedeckt 8'   Holz
5. Flüte d'amour 4'   Holz offen
6. Octav 2'   Zinn
7. Mixtur 4f. 2'   C: 2', 1 3/5', 1 1/3', 1'',  c': 4', 2 2/3', 2', 1 3/5', c''': 4',2 2/3', 2', 2'
II. Manual C - f'''
8. Dolce 4' Zinn,   trichterförmig
9. Fugara 4'   Zinn
10. Salicional 8'   C - H Holz, ab c Zinn
11. Flöte 8'   Holz offen
Pedal C - d'
12. Violoncello 8'   Holz, offen
13. Octavbass 8'   Holz, offen
14. Subbass 16'   Holz, gedeckt
Koppeln
II / I
I / Ped.
Winddruck
80 mmWs = 28 Linien

 

Bericht zur Restaurierung

Im Jahr 1992 faßte der Pfarrgemeinderat von Altheim den Beschluß ihre Weigle-Orgel restaurieren zu lassen. Der 140-jährige Gebrauch und vor allem die Schäden durch Holzwurmfraß hatten dem Instrument schwer zugesetzt. Im Juli 1995 wurde das Orgelwerk abgebaut und in die Werkstatt nach Waldkirch gebracht. Zuerst wurde eine Holzwurmbekämpfung mit CO2-Gas
durchgeführt und anschließend sämtliche Holzteile mit Permithrin als Prophylaxe gegen erneuten Befall behandelt.
Am 14. September fand eine Sichtung und eine Diskussion über die einzelnen Schritte der Restaurierung statt, zusammen mit Herrn Dr. Klaus Könner vom Landesdenkmalamt und dem Orgelsachverständigen Herrn Bernhard Kugler.

seitenans_altheim.gif (5638 Byte)Pfeifenwerk
Vor allem bei den Holzpfeifen und Teilen der Mechanik waren die Schäden durch den Holzwurm bedenklich. Bei den Holzpfeifen wurden die Wurmlöcher mit Wachs verschlossen, einige durch Wurmfraß übermäßig beschädigte Vorschläge und Pfeifenteile mußten ersetzt werden. Die großen Holzpfeifen sind aus Kiefernholz und haben eingesetzte Labien und Vorschläge aus Birnbaumholz; die Kernblöcke sind aus Eiche und haben einen ausgesägten quadratischen Pfeifenfuß. Die kleinen Holzpfeifen sind ganz aus Birnbaum.

Die Metallpfeifen der Orgel haben einen Zinngehalt von 67 %. Bis etwa 1'-Länge haben die Metallpfeifen Expressionsstimmschlitze mit kreisförmigen Ausschnitt. Der Durchmesser dieses Kreises beträgt 4/5 des   Pfeifendurchmessers ( Zirkelriß auf c Gamba 8' ).
Die Mixtur ist eine Terzmixtur, ab c''' repetiert der Terzchor in einen 2'-Doppelchor. Die Pfeifen der Mixtur sind nach ihrer klingenden Tonhöhe angeschrieben, d. h. E für C 1 3/5' und G für C 1 1/3' etc. . Eine weitere Kennzeichnung war für die jeweilige Oktave: M I für C-H, M 3 tens fürc'-h' etc. .
Für die Rekonstruktion der Prospektpfeifen ( Labienverhältnisse ) und der Octav 2' brachte der Mensurvergleich mit der Orgel in Mittelbuch (Weigle / 1856 ) wichtige Aufschlüsse. An dieser Stelle möchten wir uns bei Herrn Herbert Wohnhaas bedanken, der uns immer wieder den Zugang zu der Orgel in Mittelbuch ermöglichte.
Die Octav 2' folgt der Prinzipalmensur, der Mensur von Principal 8', Octav 4' und der Mixtur.Ab c'' wird sie jedoch deutlich weiter mensuriert ( Umfang c''' Mixtur 2': 22,5, Octav 2': 26,7 mm)

Die Pfeifenstöcke der Orgel sind nicht ausgekesselt sondern nur leichtkonisch ausgebohrt. Die Pfeifenfüße ( ca. 190 mm lang ) sind außer bei den Streicherstimmen kaum gekulpt, die Pfeifen stehen sozusagen auf vollem Wind. Die offenen Pfeifenfüße, die weiten Kernspalten und der kräftige Winddruck geben der Orgel ihren brillianten und kernigen Klang.

Balganlage
Die Kastenbalganlage wurde wieder instandgesetzt und mit neuen Windkanälen an die Orgel angeschlossen. Der von Reiser 1936 für den Motorbetrieb dazugesetzte Magazinbalg deckte auf, daß er aus Teilen alter Faltenbälge ( 18. Jhdt. ) hergestellt worden war. Die Falten wurden gesäubert und nach der damaligen Art mit rotem Bolus angestrichen. Der Unterbau mußte wegen seines maroden Zustandes erneuert werden. Der Winddruck der Orgel wurde vor dem Abbau mit 80 mm Ws
gemessen. Versuche mit dem Winddruck und der Umstand, daß 80 mm genau 28''' ( Linien ) entspricht ließ vermuten, daß es sich hier um den originalen Winddruck handelt. Schon um die Jahrhundertwende wird die Orgel als laut bezeichnet, man sucht Abhilfe indem man an die Seitenwände inwändig Tücher anbringt.

Mechanikschema altheim.gif (5954 Byte)Windladen
Die Windladen wurden ausgereinigt, der Kanzellenriß im I. Manual zugespundet. Gebrochene Stockschrauben mußten ausgebohrt werden, an die Köpfe der originalen Stockschrauben wurden neue Gewindestücke angeschweißt. Das Papier auf den Registerkanzellen wurde abgenommen und die originale Belederung als Stockdichtung wiederhergestellt. Die Verführungen auf dem umgebauten Stock von Dolce 8', wurden zugespundet und auf das ursprüngliche Maß gebracht, da das Register in die 4'-Lage zurückgesetzt wurde.

Mechanik
Zerbrochene und geflickte Abstrakten wurden zerlegt und wieder sauber zusammengesetzt. Sämtliche Wellenbretter, ebenso die Wellenrahmen unter den Windladen wurden in den Achsbohrungen neu ausgetucht. Die Docken und Wellenärmchen
hatten durch Wurmfraß sehr gelitten und waren schon zu verschiedenen Zeitpunkten geflickt und in unterschiedlichen Ausführungen ersetzt worden. Sämtliche Ärmchen und Docken wurden auf ihre Festigkeit überprüft. Die durch Wurmfraß zerstörten und die nicht originalen Teile wurden den Vorbildern entsprechend ersetzt. Die Fängermuttern in den Wellenrahmen erhielten zur Geräuschdämpfung eine zusätzliche Ledderscheibe. Die Lederfähnchen an den Eisenwinkeln wurden mit Talkum eingerieben, die Fehlenden ersetzt. Das Spiel der Eisenwinkel im Achspunkt wurde durch Verschieben der Achsen reduziert.
Die Drähte der Achsenpendel wurden mit feiner Stahlwolle abgerieben um den Rost zu entfernen. Sie wurden mit einem öligen Lappen leichtgefettet.

Im Spieltisch wurden die Klaviaturen neu garniert, d.h. sie erhielten neue Anschlagfilze. Die Tastenbeläge des I. Manuals wurden im Bereich f - c'' durch neue Beinbeläge ersetzt. Die übrigen Beläge wurden gebleicht, leicht nachgeschliffen und poliert. Das seitliche Tastenspiel in den Manualen wurde durch seitliches Aufleimen von Leinen an den Führungsschlitzen reduziert. Die hölzernen Achsen der Gelenke der Registerwippen wurden, den Originalen gleich, in Eisen ersetzt. Die Porzellanschildchen von Dolce 4' und Octav 2' wurden den originalen Vorbildern entsprechend ersetzt. Dabei wurde das Schildchen von Dolce 8' wiederverwendet und nur die Fußzahl geändert. Im Spieltischgehäuse wurden die schadhaften Furnierstellen ( Nußbaumwurzelholz ) ausgebessert und die Politur mit Schellack leicht aufgefrischt.

Die Pedalklaviatur erhielt ebenfalls neue Anschlagfilze. Das seitliche Tastenspiel wurde durch Neubelederung der Tastenstöcke reduziert. Die Tastenbeläge ( Apfelholz ) waren original, die Tasten jedoch untereinander vertauscht. Die Untertasten wurden neu geordnet, die Obertastenbeläge von C#, F#, G# und B wurden belassen, die übrigen Beläge der Obertasten  usgewechselt. Die Obertasten mit den originalen Belägen wurden so angeordnet, daß sie seltener zum Einsatz kommen ( C#, D#, h und c#').
Die Pedalfedern waren von unterschiedlicher Bauform und Material. Weigle hat seinerzeit Federn aus Messing verwendet, wie die Rückholfedern der Koppelbalken zeigen. Die Federn eindeutig neueren Datums wurden nach originalem Vorbild ausgewechselt.

Gehäuse
An der Orgelbank wurden die später aufgenagelten Leisten abgenommen, eine Höhenverstellung wird mittels untenliegender Leisten erreicht.

Am Orgelgehäuse wurden die schadhaften Stellen ausgebessert, die Bohrungslöcher der elektrischen Anlage wurden zugespundet. Fehlende Teile der Verzierungen wurden ergänzt. Die Verzierungen auf den Häuptern und die Rückwandfüllungen waren aufgenagelt. Sie wurden nunmehr aufgeschraubt.

Ziel
Das Ziel der Restaurierung war es, nicht das Instrument durch moderne Techniken "zu verbessern", sondern es in seiner originalen Funktion wiederherzustellen. Alle zu erneuernden Teile entsprechen in Material und Ausführung dem Original, ebenso wurden neu herzustellende Teile ( Ansaugkanal etc. ) nach dem damals verwendeten Zollmaß hergestellt. Es war das Ziel, die Verschleißteile, die späteren Umbauten und die durch Holzwurmfraß zerstörten Teile zu erneuern, aber nicht die natürliche
Alterung in der 140-jährigen Geschichte der Orgel zwangshaft zu
verdecken.


Wolfram Stützle
Orgelbaumeister